Interview mit Martin Brandl, MdL

Wer sind Sie? Was machen Sie beruflich? 

Ich bin Martin Brandl. Ich bin parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im Landtag Rheinland-Pfalz. Persönlich habe ich kein Fachgebiet, dennoch laufen alle Anträge und Aufgaben als parlamentarischer Geschäftsführer zunächst über meinen Schreibtisch. In meiner Rolle führe ich die Finanzen sowie das Personal der Fraktion. Jeder Antrag, den die Fraktion in ihrem Namen aufgibt, läuft über meinen Schreibtisch. Früher war ich in der Industrie tätig und bin seit 2006 im Kreistag des Landkreises Germersheim.

Was für persönliche Bindungen haben Sie zum Wald? 

Als Privatperson bin ich ein naturnaher Mensch, der sehr gerne mit dem Fahrrad und zu Fuß im Wald ist. Deshalb bin ich Hauptvorsitzender des Pfälzerwald-Vereins. Der Pfälzerwald-Verein umfasst 23.000 Mitglieder und zwischen 180 und 190 Ortsgruppen in der ganzen Pfalz. Für diesen versuche ich auch politischen Einfluss zu nehmen. 

Sorgen Sie sich um die Zukunft unserer Wälder?

Ich sorge mich um den Wald, da es in Wäldern an unterschiedlichen Stellen verschiedenste Herausforderungen gibt, die auch z.B. auf Social Media oder in der Presse thematisiert werden. Besonders in der Rheinebene ist eine sehr drastische Temperaturzunahme der Jahresdurchschnittstemperatur innerhalb der nächsten Jahre zu erwarten. 

Aus Sicht der zuständigen Forstamtsleiterin Astrid Berens ist die Naturverjüng im Bienwald noch zu schaffen. Im Gegensatz zu anderen Wäldern hat der Bienwald durchaus Überlebenschancen; die Mischwälder des Pfälzer- und Bienwalds sind vergleichsweise relativ klimaresilient. Dennoch treffen die heißen Temperaturen auch den Bienwald. 

Was sind ihre Ziele bezüglich der Waldentwicklung? 

Als CDU müssen wir unser verstaubtes Image bezüglich des Themas Waldentwicklung versuchen aufzubessern. Ich bin der Meinung, dass wir dieses Ziel als Landesfraktion derzeit angehen, z.B. haben wir im Landtag einen Gesetzesentwurf zur Solarpflicht eingebracht. Dieses besagt, dass in RLP zukünftig auf allen neuen Gebäuden Solaranlagen angebracht werden müssen. Derzeit befinden wir uns noch im Gesetzgebungsverfahren, allerdings bin mir sicher, dass unser Gesetz von der Ampel-Koalition abgelehnt wird. 

Im Bereich Wald benötigen wir eine stärkere Förderung der Privatwaldbesitzer, um den Wald klimafreundlich zu gestalten. Privatwaldbesitzer benötigen Ansätze, um ihre Waldstücke klimaneutral zu gestalten. Z.B. könnte ihnen das Gießen der Wälder bezahlt werden. 

Ein weiteres wichtiges Thema ist der Bereich Brandschutz, schließlich wird es in Zukunft aufgrund des Klimawandels zu einer Vielzahl von Waldbränden kommen. Hierbei geht es nicht mehr darum, den Klimawandel zu verhindern. Wir müssen uns an den Klimawandel anpassen! Hierfür müsste mehr in die Feuerwehr investiert werden und der Wald andererseits für die Feuerwehr passierbar gemacht werden. Es stellt sich nun die Fragen des Anlegens von Brandschneisen und dem Anlegen anderer Zufahrtswege. Was passiert mit dem Totholz des Waldes, schließlich ist dieses aufgrund seiner Brandlast ein großes Risiko. 

Es gilt einen Mittelweg zwischen einer Minimierung des brandfähigen Totholzes und der Erhaltung von Lebensräumen zu finden. 

Wie kann man den gesellschaftlichen Nutzen des Waldes stärken? 

Zum einen ist der Wald ein Wirtschaftswald, wobei der Bienwald immer weniger als Wirtschaftswald in Erscheinung tritt, da aufgrund des Klimawandels nicht mehr so viel Holz geschlagen werden kann wie in vergangenen Zeiten. Des Weiteren ist der Wald ein Naherholungswald für die Menschen, die in seiner Umgebung leben. Darüber hinaus hat der Wald eine Klimafunktion, insbesondere auch als Sauerstoffproduzent. Überdies ist der Wald auch als Naturschutzperspektiven interessant. Es gibt somit ganz viele verschiedene Perspektiven, weshalb Wald wichtig ist und weshalb Wald genutzt wird. Letztendlich müssen wir sicherstellen, dass die Funktionen und der Nutzen des Waldes auch in Zukunft fortbestehen. 

Was können wir als Gesellschaft tun, um diese Ziele zu erreichen? 

An dieser Stelle sprechen wir eindeutig über den Kampf gegen den Klimawandel. Wenn der Klimawandel in der aktuellen Geschwindigkeit fortschreitet, hat der Wald massive Anpassungsprobleme. Dann werden wir den Wald in der jetzigen Form nicht erhalten können. Da dieses Szenario in Teilen eintreten wird, müssen wir uns als Gesellschaft engagieren, dass wir den Wald so umgestalten, dass er das zukünftige Klima einigermaßen verträgt. Hierbei ist jeder einzelne gefragt. Des Weiteren gibt es viele tolle Initiativen, die sich mit der Walderhaltung beschäftigen. Hierbei geht es nicht nur um das Pflanzen, sondern auch das Gießen der Bäume. 

Der Bienwald ist eigentlich ein sehr nasser Wald, der allerdings auch durch den Klimawandel immer weiter austrocknet. Dies ist ein riesiges Problem. 

Was halten Sie von der aktuellen Umwelt- und Waldpolitik?

Auf Landesebene würde ich vor allem das zuvor bereits erwähnte Projekt für die Privatwaldbesitzer in den Vordergrund rücken. Hier müsste sich das Land mit eigenem Geld stärker engagieren, auch, wenn es verschiedene Bundesgeldtöpfe gibt, die in diesem Bereich finanziell fördern. Ansonsten droht eine große Schieflage. Im Bundesland Bayern beispielsweise gibt es im Gegensatz zu RLP eine sehr starke Förderung, die Förderung des Waldes in RLP ist hingegen marginal. 

Die Arbeit der Landesforsten ist grundsätzlich in Ordnung. Hier gibt es von mir keine grundsätzliche Kritik, dennoch muss man schauen, dass man genügend Menschen für den Försterberuf findet, die dementsprechend gut bezahlt und ausgebildet werden sollten. Hier waren wir in der Vergangenheit nicht gut aufgestellt. Es kam hier vor allem immer zu Diskussionen über den Einstiegskorridor und den Nachwuchs sowie letztendlich auch über die finanziellen Rahmenbedingungen. Hierbei ist z.B. ein Problem, dass die Förster in der Regel mit einem privaten Fahrzeug in den Wald fahren müssten. Für die Kilometer, die sie dienstlich zurücklegen, bekommen die Förster zwar einen gewissen Kostenersatz, allerdings steht dieser in keinem Verhältnis zu den Mehrkosten, dem Mehraufwand und auch zu den unumstößlich höheren Spritkosten, die ein Fahrzeug im Wald aufgrund der dortigen Gegebenheiten und landschaftlichen Bedingungen hat.  Hier ist eine Fahrkostenpauschale von ca. 30 Cent schlichtweg unzureichend. 

Welche Bedeutung hat der Bienwald aus Ihrer Sicht regional und überregional? 

Regional hat er vor allem für die in seiner Umgebung lebenden Menschen eine äußerst wichtige Naherholungsunktion. Für die im und um den Bienwald liegenden Gemeinden ist er zweifellos identitätsstiftend.

Außerdem kann man auf tollen Pfaden durch den Bienwald laufen und Natur aus nächster Nähe erleben. Für mich persönlich ist der Bienwald trotz seiner Bewirtschaftung durch die Forstämter ein sehr ursprünglicher Wald. 

Wie waren Sie in das Naturwaldprojekt involviert? Was halten sie von diesem Projekt? 

Auch wenn ich am Grundsatzbeschluss für das Projekt nicht beteiligt war, habe ich an sämtlichen Folgebeschlüssen teilgenommen. Hierbei gab es in der Region eine sehr zweigeteilte Meinung. 

Viele sehr waldbezogene Bürger, die den Wald sehr intensiv genutzt haben (z.B. ehemalige Förster, Holzwerber, Spaziergänger usw.) befürworteten nicht, dass für die Fläche des Projekts aufgrund der dort bestehenden Lebensgefahr ein Betretungsverbot herrscht. Diese Menschen stellen berechtigte Fragen, ob man Waldboden abziehen muss, um Magerwiesen und Habitate für spezielle Käfer zu schaffen. 

Andererseits war das Projekt eines der Wenigen in Deutschland, das auch aktiv gefördert wurde und bei dem eine intensive wissenschaftliche Begleitung vorhanden war, ein Vorzeigeprojekt. Auf dem Gebiet gibt es sehr viele Eichen, die bis an ihr Lebensende nicht gefällt werden. Vielleicht findet man einen solchen Wald mit 300 bis 400 Jahre alten Bäumen in halb Europa nicht mehr, weshalb uns unsere Vorfahren in ferner Zukunft vielleicht äußerst dankbar sein werden. Als ein solch weitläufiges Projekt war dieses auch angedacht. 

Grundsätzlich muss man solche Projekte wie auch Politik oder Geschichte immer ein Stück weit in seiner Zeit betrachten. Vor 20 Jahren waren Biodiversität und Artenvielfalt riesige und heißdiskutierte Themengebiete. Man wollte sehen, wie sich Natur auch ohne das Zutun der Menschen „natürlich“ entwickelt. 

Aus heutiger Sicht komme ich aber aufgrund des Klimawandels zu einer ganz anderen Bewertung, schließlich bindet Holz, das geschlagen und zum Bauen verwendet wird das darin befindliche CO2 für teilweise Hunderte von Jahren. Lassen wir den Wald allerdings einfach unberührt, ist der Kohlenstoff relativ schnell zersetzt und nicht mehr gebunden. Daher kann man aus heutiger Sicht zu der Bewertung kommen, dass ein bewirtschafteter Wald klimatechnisch einen Mehrwert zu einer Prozessschutzfläche hat. 

Gibt es außerhalb des Fortsamts Privatunternehmer, die ihr Gehalt mit der Bewirtschaftung des Waldes verdienen? 

Ja, z.B. gibt es im Bienwald eine Menge Holzwerber, die sich durch die Bewirtschaftung des Waldes finanzieren. 

Hierbei vertraue ich vor allem dem Forstamt, schließlich ist es das Forstamt, das die zu schlagenden Bäume ausweist und schlägt. Allerdings ist das Forstamt der Meinung, dass das Schlagen der Bäume eingeschränkt werden müsse. Schließlich benötigen wir jedes kleine bisschen Schatten und somit auch jeden Baum. Das Forstamt ist er Meinung, dass der Baumbestand aus Klimaschutzgründen erhalten werden muss, weshalb die wirtschaftliche Nutzung im bisher bekannten Maße nicht mehr funktioniert.  

Ist es möglich, einen Kompromiss zu finden, der sowohl ein langes Fortbestehen des Bienenwaldes als Ökosystem als auch die wirtschaftlichen Interessen nicht gefährdet? Wie könnte ein solcher Kompromiss aussehen? Gibt es in der CDU bereits Vorstellung wie ein solcher Kompromiss aussehen könnte? 

Das gibt es zweifellos. Hierfür gibt es den Fachterminus „die gute forstwirtschaftliche Praxis“, also auf dem Stand der Wissenschaft basierende Forstwirtschaftspraxis. Dies sichert das Zusammentreffen all dieser Faktoren und Voraussetzungen, das heißt, der Wald wird zwar wirtschaftlich genutzt, aber naturnah gepflegt und so umgebaut, dass genau diese naturnahe Nutzung langfristig (also z.B. in 100 Jahren) weiterbesteht. Daher müssen jetzt Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Baumarten wir anpflanzen, die hoffentlich in 100 Jahren klimaresilient sind. Deshalb brauchen wir diese „gute forstwirtschaftliche Praxis“. Dies ist der Fachterminus, bei dem sich alle Förster wiederfinden. Das heißt, wir bekämpfen die Neophyten und die Kermesbeere. Wir sorgen dafür, dass es an manchen Stellen einen Holzeinschlag gibt, bevor die Käfer das Holz fressen, aber wir schaffen eben auch naturnahe Räume und Erholungsräume für den Menschen. 

Diese „gute forstwirtschaftliche Praxis“ ist aus meiner Sicht, sofern man die Forstarbeiter arbeiten lassen würde, genau das, was die auch vorantreiben. Grundsätzlich geht es darum, den Wald zu bewirtschaften und ihn für die nächsten Generationen zu erhalten. Hierbei sollte man den Förstern tatsächlich ein Stückweit mehr zu- und vertrauen.

Sollte man das Forstamt also aus Ihrer Sicht größtenteils eigenständig walten und handeln lassen? 

Sicherlich bin ich auch aus Klimaschutzgründen kein Befürworter der Stilllegung von Flächen. Schließlich ist es ein wissenschaftlicher Fakt, dass das geschlagene Holz, sofern es nicht verbrannt, sondern verbaut wird, CO2 im Zweifel über Jahrhunderte bindet. Daher bin ich nicht der Meinung, dass die forstwirtschaftliche Nutzung Wald nicht zerstört, sondern hilft, ihn zu erhalten. Aufgrund der aktuellen Fakten bin ich der Meinung, dass ein klimatechnisch intakter Wald im Moment wichtiger ist als ein stillgelegter Wald, der in ein paar Jahren „vor sich hin fault“. 

Zerstört man durch ein solches Vorgehen nicht massiv Lebensräume diverser Tier- und Pflanzenarten? 

Nein, da wir ja durch die Arbeit des Fortsamtes eine naturnahe Bewirtschaftung haben, indem man hiebreife Bäume fällt und deren Holz anschließend z.B. zu Bauholz verarbeitet. Schließlich ist es ein wissenschaftlicher Fakt, dass das geschlagene Holz, sofern es nicht verbrannt, sondern verbaut wird, CO2 im Zweifel über Jahrhunderte bindet. Daher bin ich nicht der Meinung, dass die forstwirtschaftliche Nutzung Wald nicht zerstört, sondern hilft, ihn zu erhalten.  

Vielen Dank für das Interview!