Interview mit Astrid Berens, Leiterin Forstamt

Wer sind Sie? Und was machen Sie beruflich?

Mein Name ist Astrid Berens und ich bin Forstamtsleiterin. Ich bin 49 Jahre alt und mein Forstamt in Kandel hat 43 Mitarbeiter. Ich betreue 12.000 Hektar Wald […] Dieses Waldgebiet reicht im Westen bis nach Steinweiler, im Norden bis nach Jockgrim, im Süden bis nach Scheid. Ich habe an einer Universität in einem Diplomstudiengang in Göttingen studiert und habe dann ein verpflichtendes zweijähriges Referendariat in Rheinland-Pfalz gemacht. Anschließend habe ich mein zweites Staatsexamen absolviert. Zunächst war ich in Neustadt im Innendienst und bin jetzt im sechsten Jahr im Forstamt Kandel.

Welche persönlichen Bindungen haben Sie zum Wald?

Ich selbst komme aus einem kleinen Dorf in der Nähe Lübecks. Wir hatten einen großen Bauernhof inklusive 2 Hektar Waldgebiet, wodurch ich schon immer Bezug zum Wald hatte. Entweder wollte ich Tierärztin oder Forstwissenschaft studieren […]. Für mich ist der Wald ideal, da er für den Forst viele Nutzungsfunktionen hat. Der Wald liefert uns gerade in Zeiten des Klimawandels sehr wichtiges Holz, das CO2 bindet. Das Forstamt unterstützt außerdem die Erholungsfunktion für die Bevölkerung im Wald, es schafft Sitzmöglichkeiten und weist Waldwege aus. Ziel hierbei ist es, den Leuten den Wald näher zu bringen. Außerdem hat das Forstamt eine Naturschutzfunktion. Aufgrund der Vielfältigkeit an Aufgaben ist der Beruf des Försters sehr spannend. Gerade zu Zeiten der Klimawandel ist der Wald eines der elementarsten Dinge.

Sorgen Sie sich um die Zukunft unserer Wälder?

Die Zukunft des Waldes macht mir zurzeit sehr große Sorgen. In der Rheineben lassen die warmen, eigentlich ja schönen Sommer mit wenig Regen den Wald austrocknen. Es kommt zu einem Niederschlagsdefizit. Außerdem sieht man seit 2018 zunehmend, dass der Wald stirbt. Mehrere heimische Arten sterben momentan aus, da sich immer mehr exotische Arten, die z.B. per Schiff zu uns gelangen, in unseren Wäldern durchsetzen. Große aktuelle Probleme sind das Absterben von Buchen und Kiefern. Hierfür muss man Lösungen finden. Außerdem muss man sich dringend Lösungen für den Wasserkonsum überlegen. Des Weiteren benötigt es neue Konzepte, durch die dem Wald im Kampf gegen den Klimawandel geholfen werden kann. Hierzu benötigt es eine große Aufbruchstimmung, wozu man allerdings auch die Mitarbeiter/innen von der Vision der Walderhaltung überzeugen muss.

Was sind Ihre (beruflichen) Ziele für die nächsten Jahre und Jahrzehnte?

Grundlegend ist das Arbeiten im Team innerhalb des Forstamts von großer Bedeutung. Außerdem muss die Vernetzung zwischen den Forstämtern erhöht werden, z.B. durch gemeinsame Exkursionen und Ausflüge sowie gemeinsamen Ideenaustausch, Experimente und Ausprobieren […]. 

Wie kann man den gesellschaftlichen Nutzen des Waldes stärken?

In Zukunft wird dem Wald aufgrund seiner verschiedenen Funktionen eine große Bedeutung zukommen. Der Wald schützt vor Lärmemissionen, er kann den Wasserrückhalt bewirken, ist für die Luftreinhaltung verantwortlich und die Holzproduktion maßgeblich. Der Wald ist im Gegensatz zu Energie und Kohle, der einzig existierende nachwachsende Rohstoff. Holz sollte vordergründig für den Häuserbau genutzt und nicht verbrannt werden. Die Verbrennung führt z.B. zu mehr Wärme.

Wie kann die Gesellschaft angesprochen werden, um diese Ziele zu erreichen?

Wir versuchen direkt die Kinder durch Kindergarten- und Schulbesuche in die Thematik einzuführen. Beispielsweise bringen wir die Kinder bereits früh spielerisch mit dem Wald in Kontakt, außerdem finden viele Führungen für Interessierte statt. Des Weiteren bieten wir Praktika an und bilden angehende Förster aus. 

Zu Beginn dieses Jahres war das 60-jährige Jubiläum der Deutsch-Französischen Partnerschaft und wir führen in dessen Rahmen Projekte aus wie z.B. einen gemeinsamen Spendenlauf durch dessen Erträge das Pflanzen von Bäumen finanziert wird. Außerdem werden Flüchtlinge wie Syrer für die Waldarbeit engagiert, dies hilft bei der Integration. Wir arbeiten auch mit dem Jugendwerk Landau zusammen, wodurch schwererziehbare Jugendliche ebenfalls sinnvollen Tätigkeiten nachgehen. Zusätzlich halten wir Kontakt zu öffentlichen Ämtern.

Schließlich bieten wir den Menschen Erlebnispfade an, mit dem Ziel, ihnen den Wald näher zu bringen.

Gibt es Dinge, die wir jungen Menschen tun können und sollten, um Ihre Ziele zu erreichen?

Zunächst sollten die Menschen für den Wald sensibilisiert werden, wenn man bereits mit offenen Augen durch den Wald geht, wäre dies schon ein großer Fortschritt. Im Lockdown haben die Menschen bspw. die regionalen Wälder für sich entdecken. Klar ist allerdings, dass der Wald ein sehr hohes Gut ist. Es gibt im Wald ein Betretungsrecht für jede/n. Letztendlich muss man mit dem Wald bewusst umgehen.

Arbeitet ihr Forstamt mit Privatunternehmern zu kommerziellen Zwecken zusammen?

Ja, sehr vielfältig. Wir beauftragen Forstunternehmer, die Bäume fällen. Außerdem haben wir auch Partnerschaften mit Naturschutzverbänden (z.B. dem NABU) und wie bereits erwähnt auch mit Französischen Betrieben – schließlich gibt es grenzübergreifende Probleme.

Wie sieht die kommerzielle Nutzung des Bienwaldes aus? 

Wir haben uns auf eine multi-funktionale Forstwirtschaft verständigt. Außerdem verkaufen wir Holz. Diese Tätigkeit tritt derweil zunehmend in den Hintergrund, da der Wald fortlaufend abstirbt. Des Weiteren stellen wir Brennholz zur Verfügung. 

Ansonsten haben wir auch andere kommerzielle Nutzer, die bei uns beispielsweise Schmuckholz für Adventskränze gekauft haben. Bärlauch wird geerntet, um es zu verkaufen. Coaches bieten Waldbaden an, einen Trend aus Japan, der die Erholung der Menschen im Wald bewirkt – die Gerüche des Waldes entspannen die Leute. Im südöstlichen Bereich haben wir eine Fläche an eine Firma verpachtet, auf der sich nun ein Kalk-Sandstein-Werk befindet. Auf der einen Seite sind wir der Eigentümer des Waldes, auf der anderen Seite sind wir eine sogenannte „untere Forstbehörde“ und regulieren somit auf der Grundlage des Waldgesetzes alle Eingriffe in den Wald. Immer gibt es einen „Rekultivierungsplan“ für verwendete Flächen.

Haben Sie beruflich etwas mit der Politik zu tun? 

Meine oberste Chefin ist die Umweltministerin Frau Eder. Politische Thematiken stellen natürlich einen Teil meines Berufs, dennoch bin ich froh, dass ich im Forstamt sehr viel fachlich arbeite. Zurzeit beschäftigen wir uns vor allem mit dem Ausbau erneuerbarer Energien und daher muss man sich vor allem die Frage stellen, ob man Windkraftanlagen im Wald wirklich installieren möchte. Auch mit der Installation von Photovoltaikanlagen beschäftigen wir uns. Rheinland-Pfalz ist überdies an Tourismus interessiert und beschäftigt sich daher mit dem Ausbau von Waldwegen im Austausch mit den einzelnen Kreisverwaltungen. Außerdem müssen wir uns mit den Vorschlägen und Bedürfnissen des benachbarten Landkreises Südliche Weinstraße auseinandersetzen. 

Sind Sie mit der momentanen Umwelt- und Waldpolitik einverstanden? 

Ich sehe meine Parteilosigkeit als wichtig an, da ich gerne fachlich arbeiten möchte. Allerdings kann ich mich den Vorgaben meiner Chefin nicht widersetzen und muss diese umsetzen. Ein bekannter Kollege, Peter Wohlleben, äußerst sich des Öfteren zu politischen Aspekten, wobei ich fachlich belegt in Teilen widersprechen würde. 

Manche älteren Förster schreckt das Eingreifen der Politik in ihre Arbeit ab. Wir müssen uns in unserer Arbeit aber nun mehr mit gesellschaftlichen Ansprüchen und neuen Ideen beschäftigen. Derzeit müssen wir schauen, dass wir statt der Holznutzungs- die Naturschutzfunktion in den Vordergrund rücken. 

Haben Sie Wünsche an die Politik? 

Ich würde mir wünschen, dass sich die Politik bei Fragen in Zukunft konkret an die Forstämter wendet. Sie sollte neue Ideen von außerhalb aufnehmen, ihre Mitarbeiter befragen und reflektiert handeln. Darüber würde ich mich sehr freuen. 

Welche Bedeutung hat der Bienwald regional und überregional? 

Er hat eine große Bedeutung für die Region. Im Osten des Bienwaldes trennt der Rhein Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Im Norden grenzt er an den Pfälzerwald. Der Bienwald verbindet als eine Art „Trittstein“ die Rheinauen mit dem Pfälzerwald. Wir haben im Bienwald ganz besondere Wildkatzen-Korridore. Aus diesen Gründen ist der Bienwald von regional großer Bedeutung. Außerdem ist der Bienwald geschichtlich geprägt. Das zeigen beispielsweise die vielen Beschädigungen aus der Zeit des 2. Weltkriegs, aber auch Panzergräben und Bunker. Des Weiteren sind sogar römische Wege ersichtlich. Deshalb ist der Wald ein Ort, der die geschichtlichen Gegebenheiten schützt. 

Im überregional ist der Bienwald sehr gut erforscht, worauf wir sehr stolz sind. Er ist einer der bestuntersuchten Wälder innerhalb Europas. Es gibt 250- bis über 300 Jahre alte Eichenbestände. Der Bienwald wurde darüber hinaus nie gerodet und liegt an der Grenze zu Frankreich. In Teilbereichen ist er sehr sumpfig und schwer zu erschließen. Nie wurde im Bienwald Ackerbau betrieben.  

Inwiefern waren Sie in das Naturschutzgroßprojekt involviert? 

Persönlich bin ich schon seit 2001 in das Projekt involviert, weil ich in Neustadt angefangen habe zu arbeiten. Das Forstamt Bienwald war ebenfalls bereits sehr früh in das Projekt involviert.

Können solche Projekte wie das Naturschutzgroßprojekt zum Schutz des Klimas beitragen? 

Wir von den Landesforsten haben den Naturschutz schon länger im Blick. Das Gewicht des Naturschutzes wird bedeutender. Zuschüsse in Höhen von 12 Millionen Euro ermöglichten hier jedoch eine intensive Untersuchung des Gebiets, wie z.B. der Käfer-Fauna und der Flora. Das Projekt war sicherlich ein Meilenstein und daher aus damaliger Sicht sehr bedeutend. Das Projekt im Bienwald war neben dem Schwarzwald eines der Ersten, bei denen ein Naturschutzprojekt im Wald ins Leben gerufen wurde. Langsam beginnt ganz Deutschland damit, Naturschutzprojekte ins Leben zu rufen. 

Gab es auch kritische Stimmen zum Projekt?

Wegen seiner Einzigartigkeit zum Zeitpunkt seines Anlaufens war das Projekt aus meiner Sicht bahnbrechend. In Frankreich stand man dem Projekt aber größtenteils kritisch gegenüber, da ein Übergreifen von Tierkrankheiten aus nicht mehr bewirtschafteten Waldgebieten nach Frankreich befürchtet wurde. Ältere Leute bewerten das Projekt auch heutzutage noch kritisch, sie sind der Meinung, dass einige über Jahrhunderte erarbeitete Leistungen durch das Naturwaldprojekt zerstört wurden. 

Wurden die Ziele des Projekts erreicht? Gab es negative Folgen dieses Projektes? 

Durch das Projekt haben wir sehr viel gelernt. Die Flexibilität in Bezug auf sich verändernde Bedingungen wie den Klimawandel während der Laufzeit des Projektes habe ich vermisst. Ich fand es aber gut, dass das Land einen solchen Schritt der Freistellung einer Fläche für ein solches Projekt gewagt hat. Ich hätte mir allerdings einen anderen Umgang mit den Trockenwaldflächen gewünscht. 

Abgesehen vom Maße der Aufmerksamkeit können aber auch kleine Projekte viel bewirken. Je größer das Projekt, desto höher ist die Gefahr, dass durch die vielen Beteiligten der eigentliche Projektinhalt auf der Strecke bleibt. Daher finde ich auch kleinere regionale Projekte sehr begrüßenswert. 

Welche Rolle spielten Privatunternehmen bei diesem Projekt, bspw. Landwirte?

Sie spielten eine große Rolle, da sie Angst hatten, ihre Produktion verändern zu müssen. Es gab in jedem Fall einen großen Aufschrei von Seiten der Landwirtschaft, aber schließlich muss man die Eigentümer von Flächen immer in das Projekt integrieren. Als Försterin bin ich allerdings nur Verwalterin des Bodens des Landes RLP. Ich bin der Meinung, dass wir auf die Landwirte zugehen sollte, um gemeinsam Verbesserungen zu bewirken. Ein solches Projekt scheitert schlichtweg, wenn die Leute vor Ort nicht mitziehen. 

Ist es möglich, einen Kompromiss zu finden, der sowohl ein langes Fortbestehen des Bienwaldes als Ökosystem als auch die wirtschaftlichen Interessen verbindet?

An diesem Ziel arbeiten wir eigentlich aufgrund der Multifunktionalität des Bienwaldes permanent. Bereits jahrhundertelang wird Holz zum Bauen produziert. Wir wollen den Wald schützen, aber heute ist er auch eine wichtige Rohstoffquelle, die wir sehr gut kennen und die vor der Haustür liegt. Das regional Produzierte ist unterstützenswerter als das an anderen Stellen der Erde Produzierte. Innerhalb der Bevölkerung wird es immer ein Spannungsfeld geben. Das wichtige ist, dass wir stets reflektieren und nach der besten Lösung suchen.